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Wahlauswertung Landtagswahlen Hessen und Bayern 2023


Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben die politische Landschaft Deutschlands erneut in Bewegung gesetzt. Sie waren ein Pyrrhussieg des politischen Konservatismus und eine Klatsche für die gesamte Ampelkoalition. Nachfolgend wird diese Wahl in zehn Thesen zusammengefasst werden.

These 1: Verloren haben alle aktuell an der Bundesregierung beteiligten Parteien, aber unterschiedlich stark (insbesondere SPD und FDP haben verloren)

Dass alle an der Bundesregierung beteiligten Parteien bei diesen Landtagswahlen Verluste hinnehmen mussten, trifft zweifellos zu. Dies verdeutlicht die Unzufriedenheit der Wählerschaft mit der aktuellen Bundesregierung und ihren Entscheidungen. Insbesondere die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Freie Demokratische Partei (FDP) mussten erhebliche Einbußen hinnehmen. Die FDP ist sogar aus dem bayrischen Landtag herausgeflogen, und ihr Modell einer inneren Opposition innerhalb der Regierung funktioniert nicht mehr. Hinzu kommt, dass sie zunehmend Konkurrenz durch die Freien Wähler bekommt. Die Grünen könnten nur ihre Stammwählerschaft mobilisieren.

These 2: Nur wenn ein Amtsinhaber der Union persönlich überzeugt, wie Boris Rhein, gibt es auch ein starkes Wahlergebnis

Die bestehenden Amtsinhaber der Union konnten nur dann starke Wahlergebnisse erzielen, wenn sie persönlich überzeugen. Das Beispiel von Boris Rhein in Hessen untermauert dies, gerade im Vergleich zu Markus Söder. Seine Kompetenz- und Sympathiewerte haben zweifellos dazu beigetragen, die Wahlergebnisse für die Union zu stärken.Markus Söder hingegen ist für viele politische Wendungen bekannt, wirkte unsicher in der Flugblattaffäre, und sein Schielen Richtung Kanzleramt, bei dem klar wurde dass er seinen finalen Platz eben nicht in Bayern sieht, haben auch viele nicht vergessen. Dies zeigt, wie wichtig es für politische Kandidaten ist, eine starke Verbindung zur Wählerschaft aufzubauen und Vertrauen zu schaffen.

These 3: Landespolitische Themen waren bei diesen Landtagswahlen unterrepräsentiert, es dominierte die Kritik an der Ampelkoalition und der Wunsch nach Zuwanderungsbegrenzung

Es zeigte sich deutlich, dass landespolitische Themen bei diesen Landtagswahlen eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Stattdessen dominierten die Kritik an der Bundesregierung und der Wunsch nach einer Zuwanderungsbegrenzung die Diskussion. Dies verdeutlicht, wie wenig die Unterscheidung zwischen Bundes- und Landespolitik in den Augen der Wählerinnen und Wähler ist,und wie bundespolitische Entwicklungen die Wählerentscheidungen in den Ländern beeinflussen können. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb die AfD so gut abschnitt. Denn in beiden Ländern war sie als parlamentarische Opposition inhaltlich kaum erkennbar, sondern eher durch interne Spaltungen und Austritte aus der Fraktion.

These 4: Wenn eine Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin der SPD antritt, und nur 15% holt, kann sie nicht im Amt bleiben

Allen Lippenbekenntnissen führender Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten von gestern Abend zum Trotz. Wenn eine eine Bundesinnenministerin wie Nancy Faeser, die als Spitzenkandidatin der SPD auftritt und nur 15% der Wählerstimmen erhält, also das mit Abstand schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokratie in der Geschichte dieses Bundeslandes holt, dann muss sie auch politische Konsequenzen tragen. Dieses Ergebnis wird zweifellos die Diskussionen innerhalb der Partei anregen. Und es zeigt erneut, dass eine Kandidatur von einem Bundesministerium aus auf ein Amt als Ministerpräsidentin mit klarem Rückfahrticket Berlin von den Wählerinnen und Wählern nicht honoriert wird. Nancy Faeser hätte das Beispiel Norbert Röttgen mit seinem vergeblichen Anlauf um das Ministerpräsidentenamt in NRW vor Augen haben können.

These 5: Die Unruhe in der Bundespolitik wird nach diesen Landtagswahlen und den Erfolgen der AfD und der Freien Wähler weiter zunehmen. Die Verschärfungen im Bereich der Migration, die vorgenommen werden, werden gerade für die Grünen eine bittere Pille werden.

Trotz der schwierigen Kommunikationskultur in der Ampel erscheint eines schon jetzt klar, nämlich: dass die Unruhe in der Bundespolitik nach diesen Landtagswahlen voraussichtlich weiter zunehmen wird. Die Erfolge der Alternative für Deutschland (AfD) und der Freien Wähler weisen darauf hin, dass die politische Landschaft in Deutschland angespannt bleibt. Die geplanten Verschärfungen im Bereich der Migration, wie die Umstellung von Geld auf Sachleistungen, oder in Aussicht stehende formale Zuwanderungsbegrenzungen, könnten insbesondere für die Grünen zu einer innerparteilichen Herausforderung werden, da sie traditionell für eine offene Migrationspolitik stehen und nun mit einer wachsenden Gegenbewegung konfrontiert sind.Schon am Wahlabend war ersichtlich, dass die Kommunikationsstrategie der Mitte-Rechts-Parteien darin besteht, den Grünen die Schuld dafür zu geben, wenn es zu keinen Verschärfungen in der Migrationspolitik kommt. Dabei sind schon die ohnehin gefassten Beschlüsse zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) für die Grünen eine Zumutung.

These 6: Angesichts der Halbierung der LINKEN in Hessen, dem Heimatlandesverband der Parteivorsitzenden Janine Wissler, wird es schwer für sie werden, sich zu halten

DIE LINKE ist auch eine klare Wahlverliererin des Abends. Trotz konstruktiver Oppositionsarbeit ist sie nach drei Legislaturen aus dem hessischen Landtag geflogen, und in Bayern völlig unter dem Radar. Für die Bundesvorsitzende Janine Wisslers war ihr politisches Kapital stets die außergewöhnliche Situation, in Hessen in einem westdeutschen Flächenland präsent zu sein, und als Fraktionsvorsitzende wirkte sie damals auch über die eigenen Milieus hinaus. Natürlich hat der LINKEN die Diskussion um die Wagenknecht-Partei massiv geschadet. Janine Wissler ist als Parteivorsitzende so engagiert gegen Wagenknecht und deren Anhänger vorgegangen wie niemand zuvor. Durch den Verlust ihres politischen Kapitals dürfte sie jetzt massiven innerparteilichen Angriffen ausgesetzt sein.

These 7: Die Grünen in Hessen unter Tarek al-Wazir werden in der paradoxen Rolle sein, dass sie einerseits weiterregieren sollten, um der These des Unions-Hauptgegners Grüne etwas entgegenzusetzen. Gleichzeitig müssen sie klarer erkennbar sein

Es ist eine absolute Dilemma-Situation der Grünen in Hessen, wo sie einerseits in der Regierung bleiben sollten, um sich als ernsthafte politische Kraft zu etablieren und andererseits ihre eigene Identität und klare Positionen wahren müssen. Wenn der klare Wahlsieger Boris Rhein in einer Situation, in der er mit Grünen oder der SPD eine klare Mehrheit hätte, sich erneut für die Grünen entscheidet, würde das die Erzählung von Friedrich Merz, dass die Grünen der Hauptfeind seien, klar konterkarieren. Andererseits haben gerade die hessischen Grünen sehr viele Kompromisse gemacht, und beim Thema Hambacher Forst und dessen Abholzung auch ihre eigenen Kernthemen beschädigt. Die Landespolitik wird eine Gratwanderung werden.

These 8: Diese klaren Wahlniederlagen werden jetzt auch zunehmend Christian Lindner als Bundesvorsitzenden der FDP infrage stellen

Trotz des klaren landespolitischen Abwärtstrends war es bisher erstaunlich ruhig in der FDP. Jetzt ist allerdings klar zu erwarten, dass die deutlichen Wahlniederlagen der Freien Demokratischen Partei (FDP) in Bayern und Hessen die Position von Christian Lindner als Bundesvorsitzenden in Frage stellen könnten. Denn die Profilierung auf Kosten der anderen Koalitionspartner, die Zwitterposition als Teil der Regierung und gleichzeitig Opposition, wird von den Wählerinnen und Wählern nicht honoriert. Christian Lindner steht nicht mehr über allem, und die Frage der liberalen Strategie der Zukunft wird offen sein. 

These 9: Die AfD wird die Union jetzt in der Migrationsfrage immer weiter vor sich hertreiben und ein politisches Narrativ starten, dass am Ende der politischen Entwicklung sie in der Bundesregierung ist und eine Obergrenze Null für die Zuwanderung gelten soll

Bis zu diesen Landtagswahlen war die AfD im Osten stark und im Westen schwach. Das gilt so nun nicht mehr, die AfD ist ein gesamtdeutsches politisches Problem. Es zeigt sich weiterhin die wachsende Bedeutung der AfD, da ihr Kernthema, die Migrationspolitik, immer wichtiger wird. Die Partei wird versuchen, die Union in dieser Angelegenheit weiterhin unter Druck zu setzen und ein politisches Narrativ zu etablieren, das eine Null-Obergrenze für die Zuwanderung fordert, vollkommen unabhängig von der Verfassungswidrigkeit solcher Vorschläge. Die Bundespolitik wird darauf reagieren, die ersten Bundesländer tun dies bereits. Dies ist einerseits nachvollziehbar, denn wenn etwa ein Fünftel der Wählerinnen und Wähler dies offenkundig will, da die AfD immer stärker aus Überzeugung statt aus Protest gewählt wird, so kann dies nicht konsequenzenlos bleiben. Zugleich gilt immer noch die alte Grundregel: Gewählt wird das Original. Daher wird die Frage insbesondere für die SPD und die Union sein, wie genau sie einen Rechtsschwenk ihrer Migrationspolitik begründen werden, um nicht als Kopierer der AfD dazustehen.

These 10: Nachdem es zwei Jahre lang ruhig in der SPD war und sie sehr diszipliniert zu Bundeskanzler Olaf Scholz hielt, wird er jetzt zumindest vom linken Parteiflügel zunehmend in Frage gestellt werden

Bisher hat sich gezeigt, dass die SPD in den letzten zwei Jahren diszipliniert hinter Bundeskanzler Olaf Scholz gestanden hat. Doch nach den Wahlniederlagen und angesichts der wachsenden Unzufriedenheit, insbesondere im linken Parteiflügel, wird Scholz nun vermehrt in Frage gestellt werden. Sowohl die zu geringe Kommunikation der eigenen Politik, als auch die Frage der konkreten sozialdemokratischen Inhalte, als auch die offenkundige Nichtfähigkeit, Konflikte intern zu lösen, ohne sie nach außen dringen zu lassen, werden Teil dieser innerparteilichen Kritik werden.