Die Rhetorik bezeichnet seit der Antike die Kunst der Rede, aber auch das Redehandwerk und die Redelist. Schon die alten Griechen, die Erfinder der Rhetorik, waren sich dieser Polyvalenz des gesprochenen Wortes bewusst.
Der Philosoph Aristoteles gab der Rhetorik in seinem gleichnamigen Buch enorm wichtige Impulse. Er systematisierte, wo und wie Redegegenstände zu finden sind. Vor allem aber unterschied er drei wesentliche Modi der Überzeugung, die bis heute nichts an Aktualität verloren haben.
Den ersten nannte er Logos, also die Fähigkeit zu einer analytischen, wahren und auf die Vernunft abzielende Rede. Hier geht es zum einen um ein breites Wissen, vor allem aber um das richtige Schlussfolgern aus dem, was gesagt wird. Wenn wir es heute mit alternativen Fakten, aber auch mit Pauschalisierungen und analytisch oder empirisch nicht gedeckten Fakten zu tun haben, so widerspricht dies dem Logos diametral. Natürlich bedarf der Logos der Vernunft des zuhörenden Gegenüber, was zugleich auch seine Grenze markiert. Dennoch markiert er zwei Anforderungen, die noch heute an Rednerinnen und Redner gestellt werden müssen: erstens inhaltliche Richtigkeit und zweitens logische Stringenz.
Der zweite aristotelische Überzeugungsmodus ist der des Pathos. Pathos beinhaltet sowohl die Fähigkeit, eigene Emotionen darlegen und dem Publikum mitteilen zu können, als auch Affekte und Intuitionen des Publikums angemessen ansprechen zu können. Cicero war in seinem Werk „Über den Redner“ (De oratore) sogar der Auffassung, dass dies das rhetorische Kerngeschäft sei. Denn häufig wirken Emotionen, wirken sprachliche Bilder stärker als Fakten. Zudem entspricht es natürlich einer ausgeprägten emotionalen Intelligenz, gezielt bestimmte Gefühle beim Publikum wecken zu können. Angesichts des vereinfachenden und häufig an niedere Instinkte appellierenden Rechtspopulismus ist es wichtig, dass auch demokratisch gesinnte Rednerinnen und Redner es beherrschen, das Pathos für sich zu nutzen.
Die dritte aristotelische Quelle der Persuasion ist das Ethos. Dies bezeichnete früher vor allem die sittliche Qualität, die Erhabenheit der Biographie der redenden Person. Heute würden wir dies als Glaubwürdigkeit bezeichnen. Über dieses Wort gehen wir häufig sehr schnell hinweg. Die Glaub-würdigkeit besagt eben genau das: eine redende Person hat es sich verdient, dass ihr geglaubt wird. Genau diese Dignität ergibt sich aber aus der Biographie. Diejenigen, welche die Werte leben, welche Sie in der Rede nutzen, werden Ethos besitzen. Diejenigen, bei denen es eine klaffende Lücke zwischen gesprochenem Wort und gelebter Tat gibt, werden fallen. So wie es Karl-Theodor zu Guttenberg erging, und wie es ob seinem mangelnden Ethos auch Trump ergehen wird. Abraham Lincoln hat das Ethos in der ihm eigenen, lakonisch-ironischen Weise gut zusammengefasst:
„You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time“.
Um wie viel reicher wären Reden, wären Ansprachen, wären Parlamentsdebatten, wäre der politische Diskurs, wenn die Redenden diese einfache Weisheit beherzigen: sei logisch nachvollziehbar, wecke bewusst Emotionen und zeige auch eigene, und sei vor allem eines: glaub-würdig.
Moritz Kirchner
Potsdam, 20.07.2017