Die christlich-demokratische Union feiert heute ihr 75-jähriges Jubiläum. In einer immer schnelllebigeren Zeit ist das natürlich eine Leistung. Die Geschichte der Union, die ja aus der katholischen Zetrumspartei in der Weimarer Republik hervorging, ist selbstverständlich noch länger.
Opposition ist Mist
Die Union hat die meiste Zeit der Bundesrepublik den Kanzler bzw. die Kanzlerin gestellt. Sie ist eine gut geölte Machtmaschine und versteht sich auch als natürliche Regierungspartei. Ihr Selbstverständnis hat interessanterweise der SPD-Chef Franz Müntefering am Besten auf den Punkt gebracht: Opposition ist Mist.
Die CDU hat viele historische Verdienste
Tatsächlich hat die Union viele historische Verdienste: Wiedereingliederung Deutschlands in die Europäische Gemeinschaft nach dem Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus, Wiederaufbau Deutschlands und Wirtschaftswunder, demokratische Stabilität sowie bis 2017 die Marginalisierung aller politischen Parteien rechts von ihr. Sie hat, wie Franz-Josef Strauß es gefordert hat, sehr lange rechts von ihr keinen Platz gelassen, gerade im europäischen Vergleich. Unter der Kanzlerschaft Angela Merkels gelang es sogar, dass Deutschland zum beliebtesten Land der Welt aufstieg, trotz seiner Vergangenheit.
Verfehlte Klimapolitik
Jedoch hat die Union auch einiges versäumt und sicher nicht geleistet. So war sie lange Zeit ein Sammel- und Abkühlbecken für Altnazis, und hat einen davon sogar zum Kanzler gemacht. Unter ihrer Ägide wurde das Asylrecht massiv geschliffen. Sie hat sich nicht dem Trend widersetzt, ehedem staatliche oder gesellschaftliche Aufgaben einer Marktlogik zu unterstellen, wie es im Neoliberalismus Trend war. Und sie hat, trotz anderer Ankündigungen, eine sehr verfehlte Klimapolitik gemacht und dafür gesorgt, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung weit hinter anderen Ländern hinterherhinkt.
Garant demokratischer Stabilität
In einer Zeit massiver Veränderungen, von Vielfachkrisen und beständig zunehmender Komplexität ist eine konservative Partei sehr wichtig. Sie kann vielen Menschen Halt und Orientierung bieten, und sie ist für gewöhnlich ein wichtiger Faktor und Garant demokratischer Stabilität. Das Bewahren des Bewahrenswerten, der Kern jedweden Konservatismus, ist eine legitime Richtschnur politischen Handelns. Ebenso ein gewisser Pragmatismus und die Grundidee, dass zu viele Veränderungen die Menschen und das Gemeinwesen überfordern könnten.
Philipp Amthor ist nur die Spitze des Eisbergs
Allerdings ist die Union in mehreren Hinsichten leider nicht konservativ. Denn es geht dem Konservatismus ja inhärent um das Bewahren, vor allem auch der natürlichen Lebensgrundlagen (oder eben der göttlichen Schöpfung, sofern man dies christlich verstehen möchte). Jedoch musste erst die SPD den Verzicht auf die Abwrackprämie 2.0 ins Klimapaket hineinverhandeln. Jetzt trommeln ganz viele Unionsabgeordnete, dass der Klimaschutz jetzt für die Erholung der Wirtschaft hintenanstehen müsse. Jedoch ist der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen der Wirtschaft logisch vorgeordnet, und diese Position daher nicht konservativ. Zum Konservatismus gehört aber auch Pflichterfüllung und eine Vorstellung, dem Gemeinwesen zu dienen. Die vielen Nebeneinkünfte und Nebentätigkeiten von Unionsabgeordneten, die oft auch sehr lukrativ sind, widersprechen dem aber fundamental. Philipp Amthor ist hier nur die Spitze des Eisberges.
Liebe CDU, werdet im besten Sinne konservativ
In der Coronakrise hat sich der Konservatismus durchaus von seiner besten Seite gezeigt: Der Schutz der Verwundbaren, Vorsicht und Risikovermeidung als Grundprinzip sowie gleichzeitig der Versuch, die Menschen durch die Restriktionen nicht zu überfordern.
Ein künftiger Konservatismus aber muss erkennen, dass der Versuch der Beibehaltung des Status Quo, die Restaurierung der Vor-Corona-Zeit alles andere als konservativ ist. Denn so werden die Lebensgrundlagen untergraben, wird der Planet immer unbewohnbarer, und werden Klimaanpassungen nötig werden, welche die Menschen überfordern.
In diesem Sinne: Liebe CDU, alles Gute zum Geburtstag, und werdet im besten Sinne konservativ.